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Funny looking Angel - Eine Feiertagsgeschichte

Heiligabend

Am 24. Dezember wachte Anna schweißgebadet in ihrem Bett auf. Das war nichts ungewöhnliches, das war
meistens so. Sie stand auf, wankte in die Küche und wünschte allen einen guten Morgen. "Allen": Das waren Jan-Ulric, ihr Gastvater, Melanie, ihre Gastmutter, Lotte und Pepe, ihre Gastkinder, und Arthur und Susi, Jan-Ulrics Bruder und seine Freundin. Wie sie nun im Esszimmer stand und sah, dass noch Teewasser übrig war, viel ihr auf, dass sie noch den Tee für diesen Tag aus ihrem Teeadventskalender holen musste. War heute wirklich schon der 24.?, fragte sie sich, als sie den Teebeutel aus seiner Verpackung holte. Das kam ihr gar nicht so vor. Ehrlich gesagt, kamen ihr die ganzen letzten zwei Wochen nicht wirklich wie Weihnachten vor. Dazu war es auch viel zu warm! Jeden Tag um die 30 Grad, wer sollte dabei denn Weihnachtsgefühle bekommen?! Vielleicht würde ja das Plätzchen backen etwas ändern.
Anna hatte gestern nämlich schon einen Plätzchenteig vorbereitet, den sie heute mit den Gastkindern ausstechen, backen und verzieren wollte. Und auch Lotte und Pepe waren schon sehr aufgeregt. Sobald ein wenig Teig ausgerollt war, begannen sie auszustechen. Kleine Männer, mittelgroße Männer, große Männer, die sie freudig als Kinder, Schulkind und Vater betitelten. Blumen, Sterne und Herzen gab es auch. Doch leider ging der erste Teil des ausgerollten Teiges kaputt, da er zu fest am Tisch klebte. Also mussten sie ihn ein weiteres Mal ausrollen. Doch so hatten sie mehr zum ausstechen. Als der Teig nun fertig gebacken war, begannen sie zu verzieren. Da es in Sierra Leone schwer ist viele Dekosachen zu bekommen, hatten sie nicht so viel Auswahl. Doch Zuckerguss, bunte und schokoladige Streusel reichen im Prinzip auch aus. Später holten sie noch die Erdbeermarmelade dazu und machten einige Sandwichkekse. Dazu lief die ganze Zeit Weihnachtsswing.
Da in Sierra Leone erst am 25. Weihnachten ist, gingen sie nicht zur Kirche und lasen gegen 16 Uhr die Weihnachtsgeschichte, sangen und dann wurden die Geschenke verteilt. Allerdings hatte Anna nicht so große Lust ihre auszupacken. So freute sie sich, Lotte und Pepe zu zuschauen, wie sie voll Freude ihre Geschenke auspackten und sofort mit allem spielen wollten. Als Anna nun irgendwann Lust bekam ihre Geschenke auszupacken, zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Sie wusste
nicht was ihr geschrieben wurde und sollte sie emotional werden wollte sie das nicht vor den anderen. Aber das wichtigste an diesem Weihnachten waren für sie nicht die Geschenke. Das wichtigste war eigentlich das Leuchten in den Kinderaugen zu sehen. Zum Beispiel dann als der Weihnachtsmann an der Tür klopfte und mit seinem Geschenkesack auf die beiden zu kam. Ganz schnell verkrümelte sich Pepe bei seinem Vater und auch Lotte setzte sich lieber zu den beiden auf die Couch. Nachdem Lotte ihm das Gedicht aufgesagt hatte, dass sie die letzten drei Tage gelernt hatte und Pepe ihm gestand, dass er nichts konnte, bekamen die beiden, die für sie größten Geschenke.


Erster Weihnachtsfeiertag

Heute morgen war Anna nicht besonders gut gelaunt. Es war Weihnachten, sie hatte kein Weihnachtsgefühl und ihr fehlten die Menschen aus Deutschland. Dennoch machte sie sich mit den anderen auf in die Kirche, denn immerhin war hier heute Weihnachten und an Weihnachten geht man in die Kirche. Melanie allerdings blieb zu Hause, da sie schon den ganzen Morgen sehr starke Kopfschmerzen hatten. Der Gottesdienst sollte um 10 Uhr losgehen, doch hier sieht man das nicht so eng, anfangen tut er frühstens 15 Minuten nach der geplanten Zeit. Und in diesem Gottesdienst fand Anna ihre Gute Laune wieder. Zunächst ließ sie sich vom afrikanischen Lobpreis mitreißen. Der besteht im wesentlich daraus, das vorne ein Chor steht, es zwei Vorsänger gibt und improvisiert wird. Zumindest sah das so aus. Vielleicht kannten auch alle das Lied. Und so wurde gesungen, nachgesungen, geklatscht und getanzt. Nachdem diese Zeit nun fast vorbei war, machte Anna eine Begegnung mit einem kleinen Engel. Ein kleines Mädchen hatte sie die ganze Zeit angeschaut und sie hatte ihr immer zu gelächelt und irgendwann, von einem Moment auf den anderen, stand das kleine Mädchen vor ihr. Sie stand einfach nur vor ihr und sah sie an. Ein kleiner, lustig anzusehender Engel. Plötzlich sagte Jan-Ulric zu ihr: "Du musst sie hochheben. Die Kinder hier sind es nicht gewohnt gefragt zu werden oder zu fragen. Du musst sie einfach hochnehmen." (An dieser Stelle möchte ich kurz in die Geschichte eingreifen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich einen Eintrag zum Thema Kinder machen werden. Deshalb hier schonmal der Einwurf: Kinder werden hier als Gegenstände gesehen und wachsen auch mit diesem Bewusstsein auf) Den Rest des Gottesdienst blieb also dieses kleine Mädchen bei Anna auf dem Arm oder Schoss bzw. den Rest den die Familie noch im Gottesdienst blieb. Da die Gottesdienste in Sierra Leone normalerweise schon zwei Stunden gehen, halten das Lotte und Pepe nie aus und deshalb geht Familie Janietz immer vor den Schrei-Predigten.
Als es nun langsam nachmittag wurde machte sich die gesamte Familie fertig um rüber ins benachbarte
 Kinderheim zu gehen. Dort gab es heute eine Weihnachtsfeier. Auf dem Gelände standen mehrere Tische, die Kinder schienen da schon eine Weile zu sitzen und wurden deswegen ein wenig Unruhig. Wann würde denn endlich das Programm anfangen? 
Endlich nach einer halben Stunde startete das Krippenspiel und die darauffolgende Talentshow. Alles im einen war es sehr lustig anzuschauen, doch bis zum Schluss blieb die Familie nicht. Sie machte sich um 17 Uhr nochmal zu einem Weihnachtsspaziergang in der Nähe von Bo auf. Der Weg auf dem sie liefen ist ein ganz normaler Schulweg für viele Kinder aus den umliegenden Dörfern. Da aber um 18 Uhr die Moskitozeit anfängt liefen sie nicht komplett bis zum nächsten Dorf, sonder drehten vorher um.

Zweiter Weihnachtsfeiertag

In Sierra Leone feiern die Menschen am 25. und 26. Maskenpartys und ziehen damit durch die gesamte Stadt oder das gesamte Dorf.
"So lassen sie nicht nur die Glaubensgemeinschaft am Geist von Weihnachten teilhaben. Da es genauso ein soziales Fest ist wie ein religiöses, bringt das Weihnachtsfest Freunde und Familien zusammen, um gemeinsam zu essen, zu spielen und sich zu beschenken.", sagt One.org darüber. 
Zum Teil stimmt das, doch muss man dazu sagen das diese Maskenpartys nichts mit Christentum oder dem Islam zu tun haben, die beide in Sierra Leone sehr stark vertreten sind. Diese "Maskenpartys" sind traditionelle Feiern von den Geheimbünden hier. Bei den Männern ist das der Poro und bei den Frauen der Bundo. Diese Geheimbünde haben große Macht und fast alle hier gehören ihm an, in den Aufnahmeritualen wird man unter anderem beschnitten, egal ob Junge oder Mädchen (Hier zu schreibe ich vielleicht auch irgendwann noch mehr). An einer dieser Maskenpartys fuhren Anna und ihre Gastfamilie vorbei, als sie auf dem Weg ins Dorf zu ihrem Mitarbeiter Kemoh waren. Zum Glück bemerkten die Menschen nicht, dass sie die GoPro von Arthur vorne am Auto hatten, darauf hätten sie empfindlich reagiert, und so bumste der traditionelle "Teufel" diese. Tja, blöd gelaufen. 
Im Dorf angekommen rannten alle Kinder auf das Auto zu. So oft bekamen sie nicht die Möglichkeit weiße Menschen zu sehen. Sie umrannten die Neuankömmlinge und versuchten ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Dann holten sie die Kameras raus und die Kinder rasteten komplett aus vor Freude. Sie kreischten und hoben ihre Hände in die Höhe und posten für die Kamera. Und als ihnen die Fotos gezeigt wurden, freuten sie sich noch mehr. Die Familie hatte ihnen eine große Packung Lollis mitgebracht, die nun unter Mühe an die Kinder verteilt wurden. Als Anna und ihre Gastfamilie sich nun aufmachten zum "Office" von Kemohs Bruder liefen die Kinder ihnen hinterher und über den Weg verteilt hockt sich immer wieder jemand von den Weißen hin um den Kindern den Lolli aufzumachen, den sie sonst mit Plastik gelutscht hätten. 
Das Office von Abu, Kemohs Bruder, waren einfach zwei Hütten aus Holz und Palmenzweigen, aber wunderschön. Mitten im Grünen und einige Bänke aus Bambusstämmen, dort kauten Anna und ihre Gastfamilie Zuckerrohr und bekamen Essen, welches Kemohs Mutter gekocht hatte. Doch sie saßen alleine um den Topf. Es fehlt einfach an Löffeln. 
In Sierra Leone wird auch wenn man Gäste zum Essen einlädt nicht zusammen gegessen. Das Essen wird gekocht, die eigene Familie isst und für die Gäste wird etwas aufgehoben. So kann man jedes Mal neu entscheiden ob der Gast das gute oder das schlechte abbekommt, ganz danach wer kommt. Als sie nun fertig waren gingen sie in den Busch um eine Stunde zu laufen. Sie liefen durch enges Gebüsch, vorbei an Plantagen und anderen Offices. Sie sahen Ananas, eine Stelle, an denen man Nüsse zerschlagen konnte und ein Gestell mit dem man Palmen hoch klettern konnte. Nachdem Jan-Ulric und Lotte eine Schlange gesehen hatte, lief Anna mit etwas mehr Vorsicht durch den Wald. Anna hat nämlich große Angst vor Schlangen und hat nicht so große Lust einer zu begegnen. Vorallem weil es hier einer der giftigsten Schlangen gibt, sowie Kobra's und Speikobras, die aus acht Meter Entfernung in deine Augen ihr Gift spritzen können. Somit atmete Anna erleichtert auf, als sie wieder aus dem Wald draußen war, sie keine einzige Schlange gesehen hatte und nach Hause fuhren.


Erlebnis dazwischen

Am 27. Dezember besuchte Anna mit ihrer Gastfamilie, ohne Arthur und Susi, Ruth. Ruth kommt aus Australien und arbeitet hier als Hebamme. Über Weihnachten und Silvester sind ihre Schwestern Miriam und Lydia da, wobei letztere ihre Zwillingsschwester ist. Anna hat noch nie Zwillinge gesehen, die sich so ähnlich sahen. Die drei waren in Indien aufgewachsen und nun im Erwachsenenalter lebten sie auch nicht ganz normal in Australien. So kam Miriam aus Südafrika angereist und Lydia aus Shanghai, wo sie eine Schule leitete. Anna mag die drei sehr gerne. 
Zur Zeit hütet Ruth eine Hund, der dauerhaft bellt. Da Jan-Ulric sehr oft Cesar Milan, ein amerikanischer Hundetrainer, schaut bzw. geschaut hat, weckte dieser Hund sein erzieherisches Interesse. Als Ruth nun erzählte sie hätte Angst dem Hund die Schüssel wegzunehmen, wenn dieser Essen bekam, wollte er das übernehmen und setzte sich vor die Tür. Dort zeigte er dem Hund durch klare Zeichen, dass das Essen ihm gehöre, allerdings warf er dem Hund immer wieder etwas hin, nach dem dieser aufgehört hatte zu bellen. Immer näher lockte er so den Hund zu sich, bis dieser ganz vorsichtig aus seiner Hand aß. Doch dann machte er das Anzeichen Jan zu beißen, dieser konnte das als "Rudelführer" natürlich nicht auf sich sitzen lassen und unterwarf ihn. Bei diesem Gerangel biss der Hund ihn einmal in die Hand. 
Als Jan nun beim Abendbrot saß erklärte er den anderen, dass der Hund sehr wohl seine Position kenne, nicht so wie er zuerst vermutet hatte, aber total verängstigt sei und sich nach einem Rudelführer sehne und sich nur sicher und in Ruhe gelassen fühle wenn er schnappt.

Silvester

Silvester ließ die Familie ruhig angehen. Am Vormittag skypte Anna mit Freunden aus Deutschland. Als sie damit fertig war packte sie ihre Sachen, verließ das Haus, lief zur Straße vor, schnappte sich ein Ukada und fuhr Jan, Pepe und Lotte hinter her. Diese waren eine Stunde vorher ins Dohas Hotel gefahren, da es dort einen Pool gibt, in dem man für 40.000 Leone (5 Euro) schwimmen gehen kann. Sie schwammen, aßen, tranken und planschten. Nachdem sie gegen 18 Uhr wieder zu Hause waren, zündeten sie um 19 Uhr ihre wenigen Raketen, da Lotte und Pepe kein Mittagsschlaf gemacht hatten und es deshalb nicht sicher war, dass sie um 00 Uhr noch wach wären. Danach wurde Identik gespielt. In dem Spiel beschreibt immer eine Person ein vorgefertigtes Bild in einer Minute und in dieser Minute mussten die anderen das Bild, so gut wie nach der Beschreibung möglich, malen. Punkte wurden dafür verteilt, ob man ein gewünschtes Detail gezeichnet hatte. Sehr lustig! Und das wichtigste für Anna: Man muss nicht mal malen können. 
Ganz klassisch wurde auch Dinner for one geschaut. Die Männer gingen danach ins Bett, da sie zu müde waren. So spielten Susi, Milli, Lotte, Pepe und Anna Twister, fingen dann an zu tanzen und gingen dann über zu Stopptanz. Um 23 Uhr verabschiedete sich auch Pepe ins Bett. Die letzte halbe Stunde hörten sie Musik und gingen nach 00 Uhr ins Bett. Zu Annas großer Freude sprach sie über Facetime vor dem Einschlafen noch mit Freundinnen aus Deutschland. 
Und zum Glück gingen auch die Sierra Leoner Silvester ruhig an. So feierten sie diese Nacht nicht die Festivseason, in der sie Weihnachten vor- und nachfeiern, sondern jubelten nur einmal von 00 bis 00.30 Uhr. So schlief Anna das erste Mal hier in Sierra Leone durch.

Ende

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