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Rainyseason has started


In der Nacht vom 12. zum 13. Februar wachte Anna aus mehreren, weniger wichtigen Gründen auf - wie zum Beispiel, dass der Nachtmann einfach einen Freund einließ und ihre Gasteltern deshalb ein ernstes Gespräch mit ihm führten oder weil sie Durst hatte. Aber eine Sache war nicht ganz so unwichtig. Für sie jedenfalls...

Um kurz vor vier wachte sie auf. Es dauerte einige Zeit bis sie begriff warum sie aufgewacht war. Es gab nämlich ein Geräusch das sie hier bisher noch nicht gehört hatte. 
Da das einer ihrer liebsten Geräusche war, dauerte es nur wenige Millisekunden bis ihr Kopf schnallte: "Das ist leichter Regen!" 
Sofort war Anna sehr aufgeregt. Es regnete das erste Mal seitdem sie hier war! Sie lauschte einige Minuten, dann fiel ihr ein, was ihre Gasteltern zu ihr gesagt hatten: "Wenn es regnet musst du das Fenster an der Wetterseite schließen, sonst regnet es dir ins Bett." Wie von der Tarantel gestochen sprang sie aus dem Bett und zog das Fenster rechts von ihrem Bett zu. Von dort sollte der Regen am häufigsten kommen.
Als sie nun ihren Stern angeschaltet und sich etwas zu trinken geholt hatte, legte sie sich wieder ins Bett. Lange hielt sie das aber nicht aus. Sie wollte den Regen sehen! Sie stand wieder auf und ging zum geschlossenen Fenster und... sah nichts. Lag das am abgedunkelten Fenster? 
Danach lief sie zum anderen Fenster hinter ihrem Bett: Auch nichts. Auf beiden Seiten sah es nicht wirklich nass aus und Regentropfen konnte man auch nicht sehen. Anna war enttäuscht. Was bringt Regen, wenn man ihn nichtmal auf dem Boden sieht? 
Sie legte sich wieder ins Bett. Nach ein paar Sekunden stand sie aber wieder auf. Ihr war eine geniale Idee gekommen. Als sie durch ihr Bad lief zog sie sich schnell ein Tuch über, denn da es in Sierra Leone auch nachts mega warm war schlief sie meist nackt. Na gut fast nackt. Auf jedenfall hatte sie was an. Als sie nun das Schulzimmer durchquerte war sie sich nicht mehr so sicher, ob der Regen wirklich nicht von rechts kam und so zog sie vorsichtshalber auch dort das Fenster zu. Dann trat sie in den Vorraum.
Das erste was sie sah, war das der Boden hier etwas dunkler war. Sie wollte näher ans Fenster treten, aber da sah sie den Nachtmann, der sie wohl eindeutig für verrückt hielt. Hier war doch gar nichts los? Warum stand sie dann am Fenster? 
Also lief sie noch etwas nach rechts in den Essensraum und stellte sich hinter die Gardine, so dass der Nachtmann sie nicht mehr sehen konnte. Sie hoffte nur das ihr Gastvater jetzt nicht wach werden würde und reinspaziert kam, weil dann würde er wohl einen Herzinfakt erleiden.
Anna schaute aus dem Fenster und sah: Nichts! Sie lenkte ihre Augen auf die Pflanzen und sah, dass sie nass waren, aber sonst: Nichts. 
Da! Die Pflanze hatte sich bewegt, wie wenn Tropfen rauffielen, doch mehr sah sie nicht. Anna war etwas traurig. Mit dem musste sie sich wohl zufrieden geben. Es war einfach zu dunkel. Also trottete sie zurück in ihr Bett um dem Regen nur noch zu lauschen. Das Geräusch des Regens das sie aus Deutschland kannte, schwoll an und der Regen schien stärker zu werden. Nach einer Weile schwoll es nochmal an und nun hörte es sich an, als würde man direkt neben einem riesigen Fluss stehen, auf dem man Wildwasserrafting machen kann. Anna ärgerte sich mal wieder, dass sie auf dem linken Ohr nicht gut hörte. So war das ganze eine eher große Masse an Geräusch und nicht mit kleineren Untergeräuschen versetzt, aber da nahm der Regen auch schon wieder ab und das Geräusch ging vom normalen Deutschlandregen zu leichtem Regen in Deutschland über. Anna war traurig das es jetzt schon vorbei sein sollte. 
Doch wisst ihr was? Sie sollte nicht recht behalten, denn der Regen wurde immer wieder mal stärker, mal schwächer bis Anna, die doch Regen so sehr liebte, eingeschlafen war. Und während sie einschlief dachte sie: Ich freue mich schon, wenn es einmal tagsüber regnet. Dann kann ich den Regen sehen. Und dann... Diesen Gedanken brachte sie nicht zu Ende, doch ich kann euch verraten was dann geschehen wird: Und dann wird Anna rausgehen und im Regen tanzen!









Das ganze ist jetzt schon 3 Monate her und nun sind wir endlich in der Regenzeit. Oder erst? Immerhin hatten wir zwischenzeitlich das Gefühl, die Regenzeit würde dieses Jahr vielleicht schon etwas früher starten, da es im März und April schon ein paar mal geregnet hat. Aber nein, sie hat uns trotzdem, ganz normal, bis Mai warten lassen. Und es ist so unwirklich, weil seit November, also schon bevor ich überhaupt wirklich hier war, habe ich auf diese Zeit des Jahres hingefiebert. Zu dem Zeitpunkt bin ich auch noch davon ausgegangen, dass ich nur mit Mühe und Not die Trockenzeit überlebe.

Im Rückblick kann ich sagen, dass die Trockenzeit nicht so schlimm war, wie ich davor befürchtet habe. Als ich im Dezember ankam hatte gerade die Hamattanseason gestartet. In dieser Zeit des Jahres kommen hier Winde aus der Sahara hergeweht und machen die Luft etwas staubiger, aber auch etwas frischer. Also frischer aus Sierra Leonischer Sicht. Unsere Mitarbeiter sind in dieser Zeit morgens mit Mützen herumgelaufen, was für mich total komisch war. Immerhin kam ich aus dem kalten Deutschland und hier sind in der Zeit trotzdem 28 - 29 Grad.
Die verschiedenen Blüten nach dem Regen
So habe ich mich den Dezember und Januar erstmal an diese Temperaturen gewöhnt und dann waren die danach folgenden 30 - 35 Grad nicht mehr eine so große Umstellung. Schlimm wurde es allerdings Ende März und den April über: Kurz vor der Regenzeit heizt sich alles nochmal auf, die Luft wird schwüler und so hatten wir jeden Tag gefühlte 40 - 43 Grad und wo mir sonst nur nachmittags der Schweiß gelaufen ist, fing es schon an, kaum das ich mein Bett verlassen und den Ventilator ausgemacht hatte. Die Zeit werde ich nicht vermissen.
Die Trockenzeit hat allerdings noch einen besonderen Vorteil: Die Früchte werden hier nicht, wie ich gedacht hätte, in der Regenzeit reif, sondern in der Trockenzeit. So hatten wir Grapefruits im November und Dezember, Papayas im Dezember und Januar, Mangos im Februar und März und Ananas im März und April und natürlich auch Bananen, aber die reifen eigentlich das ganze Jahr über. Also alle diese Früchte fangen an in der Regenzeit zu wachsen, aber richtig reif werden sie erst nach ein paar Wochen oder Monaten Trockenzeit.

Nun hat also die Regenzeit begonnen und es regnet fast jeden zweiten Tag. Und es ist ganz anders als der Regen in Deutschland. Ich weiß, dass ist schwer vorzustellen und für mich auch schwer zu beschreiben. Also der Geruch ist eigentlich genauso wie bei euch, aber wenn ihr von heftigem Regen sprecht, ist das bei uns noch so mittelstarker Regen. Meist ist es so laut, dass wir nicht mehr hören können, was die Menschen im Film sagen, wenn es regnet. Und wir müssen immer gucken von wo der Wind kommt damit wir auf der Seite die Fenster schließen, sonst haben wir nämlich riesige Pfützen in den Zimmern.
Leider regnet es zumeist nachts, ich hoffe das ändert sich noch. Denn wer mich kennt weiß, dass ich Regen liebe und er mich einfach nur glücklich macht. Ich möchte dann rausgehen, in den Regen, mich komplett durchnässen lassen, tanzen oder vielleicht auch einfach mich mit einem Tee nach draußen setzen, meine "Listen to when it rains"-Playlist an machen und den Regen beobachten.
Besonders schön ist es auch nach dem Regen rauszugehen und durch den Garten zu laufen, denn direkt danach schießen so viele Blumen und Blüten aus dem Boden, die man vorher noch nie gesehen hat. Leider halten diese sich meist nur für einen halben bis ganzen Tag und so muss man schnell sein beim entdecken.
 Auch die Morgende sind nun erträglicher, meist kann ich sogar gegen fünf meinen Ventilator ausmachen. Lotte und Pepe sitzen oft schon mit Jacken am Frühstückstisch oder in der Schule. So weit bin ich noch nicht, aber Milli und Jan sagen, dass kommt noch. Ich bin mir da nicht so sicher, aber wir werden sehen. Sollte das doch der Fall sein, gibt es auf jedenfall ein Beweisfoto.
In der Regenzeit werde ich (und wir) nicht viel im Land rumreisen können, so wie ich das wollen würde. Denn durch die ganzen Regenfälle werden die Straßen nach und nach schlechter. Es gibt große Löcher, die sich meist mit Wasser füllen und dann aber so schlammig sind, dass man nicht weiß wie tief das Loch ist. So werden wir uns wohl auf Orte beschränken - wenn wir überhaupt Bo verlassen - die man auf asphaltierter Straße erreichen kann und das sind eigentlich nur die größten Städte des Landes, wie Freetown und Makeni.

Die Regenzeit geht noch bis Ende Oktober und ich habe schon von einigen gehört, dass ich bis dahin Regen nicht mehr so mögen und mich über jeden einzelnen Regenschauer freuen werde. Ich hoffe dem ist nicht so und werde euch berichten. Zur Zeit bin ich sehr aufgeregt noch mehr und tiefer in die Regenzeit zu kommen und auch mehr Regenfälle tagsüber zu erleben.

Eure Anna

P.S. Mir ist es sehr schwer gefallen einige Worte ins Deutsche zu fassen für den Text. Bin jetzt wohl richtig im Englisch drin ^^ Also falls ich irgendwo eins vergessen haben oder irgendwas nicht 100% Sinn ergeben sollte, wisst ihr nun woher das kommt.




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