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Gemeinschaft statt Geschenke


Ich hab von Dezember 2016 bis Februar 2018 bei Familie Janietz in Bo/Sierra Leone gelebt und gearbeitet und die Kinder Lotte und Pepe als Lernhelferin der Deutschen Fernschule unterrichtet.
                                                                                                                                                        
Meine Organisation hat mich gefragt, wie ich Weihnachten in Sierra Leone erlebt habe, was überraschend war und was mir wichtig geworden ist. Dieser Text wurde mit der Weihnachtspost verschickt.                                                                                                                                       

In dicken Sachen über den Weihnachtsmarkt wandern, dabei kandierte Mandeln, Lebkuchen und heißen Glühwein zu sich
nehmen. Es wird früh dunkel, so dass die Stände mit vielen Lichtern ausgestattet sind, "Last Christmas" schallt von allen
Seiten, kalte Luft weht einem ins Gesicht, wenn man Glück hat schneit es sogar.

Auf das hab ich die letzten zwei Weihnachten verzichtet.
Auf das freue ich mich dieses Jahr besonders.

Denn obwohl man in Sierra Leone zur Weihnachtszeit, dort "festiv-season" genannt, weihnachtsliederspielende Lichterketten,
Lametta und Plastikweihnachtsbäume kaufen kann, fühlte es sich für mich nicht weihnachtlich an.


In weiterhin kurzen Klamotten läuft man über den - wie zu allen anderen Jahreszeiten auch - vollen Markt. Lebkuchen,
kandierte Mandeln und Glühwein kennt man nicht, auch bekommt man die Zutaten dafür nicht im Supermarkt, so dass man
es auch nicht zu Hause herstellen kann (Das nächste an das wir kamen war Sangria, den wir nicht kalt stellten, sondern erhitzten). In der Innenstadt hört man nun häufiger aus den groß aufgestellten Lautsprechern Weihnachtslieder, doch - wie den Rest des Jahres - beschränkt sich die Auswahl auf ein bis drei Lieder. Danach hört man auch wieder die anderen Lieder die schon seit Monaten hoch und runter gehört werden.

Weihnachtsstimmung


Doch wir machten das beste daraus, uns ein wenig gewohnte Weihnachtsstimmung ins Haus zu holen. Aus Stöcken hatte
Melanie Janietz einen Weihnachtsbaum gebaut, der dekoriert wurde. Ich backte mit den Kindern Plätzchen, die wir
weihnachtlich verzierten. Tabea, eine andere deutsche Freiwillige, und ich machten uns gegenseitig einen Adventskalender.
Auch Heiligabend wurde “deutsch” gefeiert: Mit der Weihnachtsgeschichte aus der Bibel, dazwischen haben wir zur Gitarre
Weihnachtslieder gesungen. Dann gab es die Bescherung.

Pepe, Lotte und ich beim Plätzchenbacken

Bei letzterem fiel mir auf, dass es für mich schwer war, Geschenke um 17 Uhr auspacken zu sollen, und nicht wie bei uns
zu Hause um 19 oder 20 Uhr.

Hoppla!


Es ist interessant, wie doch die ganzen Traditionen einen Einfluss darauf haben, ob es sich für mich weihnachtlich anfühlt
oder nicht. Und das brachte mich zum Nachdenken. Wie kann sowas einfaches, wie z.B. die Temperatur, etwas daran
ändern, dass ich das Gefühl habe, dass jetzt "Weihnachten" ist? Wie sehr hat es mich beeinflusst das ich mit so vielen
materiellen Gütern zur Weihnachtszeit aufgewachsen bin, dass es sich ohne sie nicht weihnachtlich anfühlt?

Ich habe mir mein Weihnachtsgefühl, letztes Jahr dadurch geholt, dass ich an Heiligabend mit Tabea und Amy
(einer Amerikanerin) in den Gottesdienst gegangen bin. Einen Gottesdienst gab es aber nur, weil Heiligabend an einem
Sonntag war, denn der Weihnachtsgottesdienst findet in Sierra Leone traditionell am 25. Dezember statt. Und bei diesem
wurde mir klar, dass sich die Sierra Leoner wahrscheinlich sogar mehr darauf konzentrieren “what christmas is all about”
(worauf es an weihnachten wirklich ankommt), als wir.

Denn in Sierra Leone, eins der fünf wenigsten entwickelten Ländern, leben 70% der Bevölkerung von etwa einem Euro
pro Tag. Viele Geschenke gibt es da zu Weihnachten nicht. In manchen Familien vielleicht sogar gar keine. Aber eine Sache
lässt sich keine Familie nehmen. Das Jahr über wird immer wieder etwas Geld zurückgelegt. Das ist nicht viel, aber das wird
in ein großes gemeinsames Familienessen investiert. Die Familie kommt zusammen, zur Feier des Tages gibt es eine Ziege
(oder ähnliches), die man sich geleistet hat, denn Fleisch ist eins der teuren Produkte auf dem Markt. Und es wird zusammen
gegessen und Zeit verbracht. Das finde ich eine besonders schöne Weihnachtstradition.

Worauf kommt es an?


Ist es nicht das worauf es ankommt? Zeit mit der Familie verbringen, Jesus Geburt feiern?

Das große Festessen mit Familie und Freunden

Ich musste erst Weihnachten in Sierra Leone verbringen, um zu realisieren, wie sehr unsere Weihnachtsstimmung
von den Konsumgütern abhängt. Vielleicht sollten wir uns wieder mehr von diesen distanzieren. Und wie die Sierra Leoner
das Geld das wir dabei sparen in ein großes gemeinsames Familienessen investieren.

Anna Marie-Louis Hopp






EmK-Weltmission
Holländische Heide 13, 42113 Wuppertal
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Kommentare

  1. Sehr interessanter Artikel!
    Wenn ich so recht überlege, weiß ich schon gar nicht mehr, was ich letztes Jahr alles geschenkt bekommen habe - aber die Erinnerungen an die schönen Stunden im Kreise der Familie erzeugen immer wieder die Vorfreude auf das nächste Weihnachtsfest und behalte ich tief in mir.
    ... das ist wirklich unbezahlbar!

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