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Geschriebene Worte zum Vatertag l Literatur

Nachträglich übersetzt



Mein Gesicht wird vom Wind gekühlt, mein Körper schwitzt, mein Herz rast. Meine Beine bewegen sich, als wäre es ein Kampf zwischen Leben und Tod. Mein Fahrrad verwandelt die Energie in noch höhere Geschwindigkeit. 
Ich möchte diesen Tag nur hinter mir lassen. Jedes Jahr das selbe... Ich versuche zu entfliehen.
Das meine Wahl, dieses Jahr nicht die schlauste war, habe ich schon bemerkt, als ich die Bahn verließ und die Massen von Menschen sah.
Wenn ich nun Gruppen von Männern überhole, werde ich sogar noch schneller. Hoffentlich so schnell, dass sie mich nicht sehen  und nicht entscheiden können, ob ich es wert bin - oder nicht - mir hinterher zu rufen. Das kann ich heute nicht verkraften.
Aber sollte ich das überhaupt an irgendeinem Tag verkraften können?


Meine ersten Erinnerungen - die ich mit dem Tag verbinden kann - sind voll mit grölenden, singenden und lachenden Gruppen von Männern. Und dem Gefühl von Scham.
Warum schäme ich mich, wenn ich überhaupt nichts getan habe? Ich weiß es damals nicht.
Das nächste was ich weiß, sind Witze die ich nicht verstehe, weil ich zu klein dafür bin. Als jemand zu mir sagt, dass ich ihm "einen Kuss geben soll, da schließlich Vatertag ist", bin ich mir sehr unsicher,ob ich es tun soll, da es ja sein Recht ist. Weil heute Vatertag ist. Das er nicht mal mein Vater ist und ich niemals irgendwas dergleichen am Muttertag tun musste, kommt mir damals nicht in den Sinn.


Ab irgendeinem Punkt kommen Anmachsprüche in meine Erinnerung. Während ich im Restaurant bestelle. Bei Fahrradtouren mit meinen Eltern. Ich erzähle es ihnen nicht. Ich schäme mich zu sehr, obwohl ich nicht weiß warum. Vielleicht sollte ich nicht so erwachsen aussehen?
Ich war zwischen zehn und zwölf Jahre alt und heutzutage weiß ich, dass nicht ich mich hätte schämen sollen.
Und dennoch versuche ich bis heute diesem Tag zu entfliehen. Denn obwohl ich weiß, dass nicht ich mich schämen sollte, ändert es nicht an den Handlungen, die an diesem Tag geschehen.


Ich habe endlich einen ruhigen Platz gefunden. Ich befinde mich nicht wirklich am See, aber ich kann ihn wenigstens von fernem sehen. Ich kann andere Menschen sehen, die sich wahrscheinlich auch verstecken. Hier sind wir also: Die Gruppe der Außenseiter. People of Color, Frauen*, Menschen der LGBTQ* Community. Wir alle werden von diesem Tag ausgeschlossen. Aus eigener Wahl oder auch aus fremder.
Ich kann mich nicht erinnern jemals ähnliches am Muttertag beobachtet zu haben. Betrunkene Frauen, die diesen Tag für sich allein beanspruchen und die Kinder unwohl fühlen lässt. Jeden Platz beanspruchen. Erwarten, dass heute alles jemand anderes für sie tut. Sie sitzen nur da, mit ihren Freundinnen, trinken eine Flasche nach der anderen, machen schlechte Witze und Anmachsprüche, grapschen verschiedenste Jungs und Männer an und grenzen andere Gruppen aus.


Ich bin am Ende meiner Tour. S-Bahnhof Griebnitzsee. Ich schaue auf mein Handy. Die Tour sollte mich mehr als zwei Stunden gekostet haben. Ich habe eine Stunde weniger gebraucht.
Gepriesen sei der Vatertag!

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