
Langsam huckeln wir auf der Straße an einer heruntergekommen Grundschule vorbei, die nicht so aussieht, als ob sie noch in Betrieb wäre. Wie wir einige Tage später erfahren sollen ist diese Annahme falsch. Zwischen vielen Sträuchern und Bäumen kommt langsam ein Dach zum Vorschein. Das ist es also. Das Weltmission Guesthouse in Jaiama, in dem wir für ein verlängertes Wochenende unterkommen werden. Es hat zwar Solarstrom, aber kein fließend Wasser oder Gas zum kochen, doch es scheint im Gegensatz zu den Mitarbeitern dort stört uns das nicht, die das alles ein wenig entschuldigend erklären. Fließend Wasser haben wir zwar in Bo, allerdings wird das in der Trockenzeit nicht mehr wirklich genutzt und wir leben zum Großteil aus Wassereimern. Auch das Gas brauchen wir nicht, denn für uns wird morgens und mittags gekocht, abends versorgen wir uns selbst. Was Tabea und mir am besten am Haus gefällt: Die riesige Terrasse, von der man auf hohe Palmen und Berge schaut und auf der man super den Sonnenuntergang beobachten kann.

Jaiama ist ein kleines Dorf im Distrikt Kono, nahe der Grenze zu Liberia. Wobei nah auch relativ ist. In Deutschland bräuchte man wohl höchstens eine halbe Stunde bis zur Grenze, hier sind das dann doch eher 2 Stunden. Es ist sehr ruhig in dem Dorf. Am Eingang des Dorfes findet man einige Stände an denen man Obst und Gemüse kaufen kann, ansonsten gibt es nicht viel. Auf dem Weg zu unserem Guesthouse fuhren wir zwar an einem Gebäude vorbei auf dem groß "Library" (Bibliothek) steht, doch auf nachfragen unsererseits stellt sich heraus, dass da schon seit einiger Zeit keine Bibliothek mehr drin ist. Ein paar Meter vom Guesthouse entfernt befindet sich ein Helppost, der von der Weltmission gesponsert wird. Ein Helppost ist ein bisschen wie ein kleines Krankenhaus. Es gibt einen zuständigen CHO, Arzt, der einem in seinem kleinen Raum empfängt. Außerdem ist ein Labor, Medikamentenraum und ein Kreißsaal vorhanden, die nach deutschen Verhältnissen eher schlecht als recht eingerichtet sind, doch kennt man die afrikanischen Standards, ist eigentlich alles wichtige vorhanden. Ganz stolz wird uns auch der Impfraum gezeigt und die paar Betten, für Menschen die länger bleiben müssen. Als uns dieser Helppost so stolz gezeigt wird, tut es mir ein bisschen leid, dass ich mich nicht so gut mit medizinischen Sachen auskenne oder nicht mal mit Krankenhausstandards. Doch alle sind sehr dankbar für die Hilfe, die sie aus Deutschland bekommen.
Diamantenhandel
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Koidu/Kono |
Jaiama liegt in der Nähe von der fünftgrößten Stadt in Sierra Leone: Koidu, auch bekannt als Kono. Koidu ist die Diamantenhauptstadt und nicht erst dort bemerkt man, dass Diamantenminen nicht viel Geld bringen. Zumindest nicht den Arbeitern und der Community. Die Straße, die noch relativ neu wirkt, ist gesäumt von heruntergekommenen Häusern und auch durch die gesamte Stadt ziehen sich die Ruinen, von der Wand blättern die Farben. Noch schockierender ist der Fakt das die Ruinen zum Großteil bewohnt sind. Durch die Häuser ziehen sich Wäscheleinen, Familien kochen in einem Raum. Das einige der Häuser nicht mal mehr Dächer haben, scheint sie nicht zu stören (oder es darf sie einfach nicht stören). Die Skyline der Stadt wird auf der rechten Seite von den Minen dominiert. Das Bild was sich mir dort bietet gibt mir das Gefühl eine Zeitreise ins frühere Amerika gemacht zu haben, zu Zeiten des Goldrausches. Dort sieht man Männer und Kindern in schlammigem Wasser stehen, gebückt, ihr Sieb nach einem kleinen Stein absuchend, der vielleicht ihr Leben verändern könnte. Es können Monate vergehen in denen kein einziger dieser Steine gefunden wird.
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bewohnte Ruinen |
Sierra Leone ist eigentlich reich an Bodenschätzen. Neben Diamanten kann man hier auch Gold, Eisenerz, Uranium, Titan, erstklassiges Nutzholz und Erdöl finden. Allerdings kann man wohl nicht sagen, dass das Land Sierra Leone davon profitiert hätte, geschweige denn viel Geld davon gesehen hat. So wird das Gold als Staub aus dem Land geschmuggelt. Und wo taucht es wieder auf? In Guinea. Das gleiche gilt für Holz und Diamanten. Letztere haben aber wohl mehr Probleme geschaffen, als gelöst. Über Korruption bei Banken bis hin zum finanzieren von al-Qaida. Auch haben sie zum Großteil den Bürgerkrieg, der hier von 1991-2002 tobte, finanziert. Deshalb kennt man sie auch unter dem Namen Blutdiamanten. Mit ihnen wurde dafür gesorgt, dass die (Kinder-)Soldaten immer gut mit Waffen und Drogen ausgestattet waren.
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Suchen nach Diamanten |
Während des Krieges haben die Besitzer der Minen in Kono ständig gewechselt. Ab 1994 wurden die Zivilisten dann gezwungen in ihnen zu arbeiten und nach Diamanten zu suchen. Doch wem sie auch gehörten, wenn Diamanten gefunden wurden lief es doch meist gleich ab: Die Steine wurden durch den Dschungel ins Nachbarland Liberia gebracht. In der Hauptstadt Monrovia wurden dann Geschäfte mit ein paar skrupellosen Händlern gemacht, meist viel zu sehr unterm Wert. Von dort wurden sie mit Hilfe von ein paar internationalen Sicherheitsmännern in den legalen Markt eingeführt. Obwohl die Zahlen beim legalen Diamantenhandel heute viel besser sind, werden auch noch heute Diamanten aus dem Land geschmuggelt und die Arbeitsbedingungen der Miner sind sehr schlecht. Außerdem brüten in dem schlammigen Wasser gerne Moskitos, weshalb das Malaria und Denghi-Fieberrisiko stark erhöht ist an diesen Arbeitsplätzen und es kommt nicht selten vor, dass eines der Kinder ertrinkt. Und viel Geld verdienen die Einwohner immer noch nicht an einem Diamanten den sie finden. Von Anfang an waren die Libanesen Mittelsmänner im Diamantenhandel und heute haben fast nur sie die Lizenz zum Export von Diamanten, die in Sierra Leone gefunden werden. Wenn nun also ein Diamant gefunden wird, wird dieser vom Minenbetreiber eingeheimst, der ihn zu einem Libanesen mit Exportlizenz bringt. Dort wird er ihm zu einem niedrigeren Preis als der eigentliche Wert abgekauft. Der Libanese verkauft ihn dann für gutes Geld. Doch davon kommt nichts beim Mann, der den Diamenten findet, an. Er bekommt vielleicht ein kleinen Aufpreis zu seinen 50 cent am Tag. Das alles ist hunderte Kilometer weit entfernt von den Glaskästen, in denen die Diamanten aufbewahrt werden oder den diamantenbesetzten Verlobungsringen an den Fingern vieler Frauen. Das ist wo der Diamantenhandel beginnt und es ist weit entfernt von "oh wie hübsch". Krankheit und Konflikt hin oder her, nach wertvollen Diamanten zu suchen ist anstrengende, rückenschädigende Arbeit. Auf den Rücken derer ausgetragen, die so arm sind, das sie ihre Hoffnung auf einen kleinen, besonders glitzernden Stein setzen, der vielleicht die Schulkosten ihrer Kinder oder die Kosten für medizinische Versorgung ihrer Familie abdecken kann.
Konomusu

Nun möchte ich mich aber doch noch einem etwas erfreulicherem Thema zu wenden. Während unsere Zeit im Konodistrikt haben wir nämlich noch ein weiteres Projekt der Weltmission kennengelernt. Konomusu. Konomusu gibt es seit April 2008 und ist ein Projekt für Frauen. Zum Teil auch für Frauen mit Behinderungen oder früher Schwangerschaft, die in Sierra Leone keine Chance auf eine anständige Arbeit hätten. In dem Projekt wird den Frauen gezeigt wie sie ihr Geld verdienen können.

Es gibt sechs Bereiche: Im Hof wird gewebt, Batikstoffe hergestellt (genäht, gefärbt, getrocknet) und auch wie Seife produziert wird ihnen gezeigt. In den Innenräumen wird genäht, gestickt und es gibt auch ein Raum in denen den Frauen Frisuren beigebracht werden und Perücken hergestellt. In einem dieser Bereichen werden die Frauen ausgebildet und sie sind dann später Friseurin oder Näherin etc. Unter der Woche müssen sie immer von 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr erscheinen. Als wir am Montag das Projekt besuchten wurden wir herzlich aufgenommen. Stolz wurden uns als Begrüßungsgeschenk zwei traditionelle Kostüme (also Oberteil und Rock) überreicht, die uns super gepasst haben, ohne das sie vorher Mass genommen hätten.

Den Tag über haben wir immer wieder in die verschiedenen Bereiche reingeschaut. Eine lange Zeit verbrachte ich bei den Friseurinnen. Als ein Mädchen das nur einen Pferdeschwanz, Dutt und gerade so noch flechten kann, konnten sie mir natürlich einiges beibringen und ich hatte auch großen Spaß. So habe ich beim herstellen einer Perücke geholfen. Allerdings habe ich auch wieder festgestellt, dass ich einige Probleme mit den verschiedenen Techniken hatte. Meine Hände sind wohl einfach nicht so begabt. Auch beim weben durfte ich ein wenig mit machen. Da gewebte Stoffe hier oft zum herstellen von traditionellen Gewändern genutzt wird, hat es mich sehr interessiert. Es hat mir besonders gefallen zu sehen, wie hier taubstumme mit normal hörenden und sprechenden zusammenarbeiten. Denn Taubstumme werden hier nicht gefördert, weshalb wohl die wenigsten Gebärdensprache sprechen. Allerdings hatten die Frauen doch einen Weg gefunden sich zu verständigen.
Am meisten gefallen hat es mir bei den Stickereien. Hier habe ich leider nur zugesehen, was mir aber auch gereicht hat. Ich habe mich immer wieder zu einer neuen Frau gesetzt und beobachtet wie sie ein kleines Meisterwerk auf den Stoff zauberte. Dabei habe ich bemerkt, dass sie alle eine etwas andere Vorgehensweise dabei haben. So haben einige sich ihr Motiv vorher mit Kreide aufgemalt und dann nach gestickt, wieder andere haben einfach freischnauze losgelegt. Mir hat das Projekt und seine Idee so gut gefallen, dass ich es unterstützen will. So werde ich mir wohl mein nächstes Kleid dort schneidern lassen und mir auch eine Perücke zu legen.

Ich bin dankbar für die wunderbare Zeit im Konodistrikt und freue mich einen weiteren Teil des vielfältigen Landes gesehen zu haben.
Bis zum nächsten Mal.
Anna
Ein paar weitere Fotos
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