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Bildung in Sierra Leone

Nachdem ich nun letztens einen Blogbeitrag dazu veröffentlicht habe, wie meine Arbeit und somit wie die Bildung von Lotte und Pepe hier von statten geht, ein kleiner Bericht über die Bildung hier in Salone allgemein.


Genauso wie das Gesundheitssystem ist auch das Bildungssystem in Sierra Leone immer noch dysfunktional und obwohl viele NGO's (Keine staatlichen Organisationen, also meistens Organisationen aus dem Ausland) an diesem Punkt arbeiten und verbessern wollen, bleibt das Land doch hinter den Internationalen Entwicklungszielen in dem Bereich zurück.
Interessant ist dabei, dass Sierra Leone eigentlich einen ziemlich guten Start hatte. 1860 waren 22% der Bevölkerung gebildet, wobei es in England, der Kolonialmacht, nur 16% der Bevölkerung waren. Das lag wohl zum Großteil daran, dass es zu der Zeit viele Missionare in Sierra Leone gab, die den Menschen die Möglichkeit gaben ihnen lesen und schreiben beizubringen und in der Gesellschaft großer Enthusiasmus herrscht den Kindern die dargebotenen neuen Möglichkeiten zu ermöglichen. Genauso wurde 1827 in Sierra Leone die erste und einzige Universität in Afrika nach europäischem Vorbild gegründet, das Fourah Bay College. Und es behielt diese Stellung auch für 100 Jahre bei. Doch diesen frühen Erfolge im Bildungswesen konnte das Land nicht weiter ausbauen. Ab 1890 begannen die Zahl der Schulkinder zurückzugehen, während die Einwohnerzahl stieg. Das Land war zu arm um weiterhin die Universitätsbedingungen aus Europa zu erfüllen. Die Einwohner zu arm um Schulgelder, Bücher, Schuluniformen etc. zu bezahlen und die Lehrstandards sanken ab.
Heute gehört Sierra Leone zu den Ländern mit der größten Analphabetenquote. Nur etwa 40% der Erwachsenen können lesen und schreiben. Von den Frauen können das nur etwa 24%. Das liegt daran, dass Mädchen hier häufig früh aus der Schule genommen werden um im Haushalt zu helfen. Nur etwa 17% der Mädchen in Sierra Leone besuchen eine Secondary School, also eine weiterführende Schule. Auch werden sie meist früh verheiratet. Fast die Hälfte aller Mädchen hier heiratete bevor sie 18 sind.
Nun nochmal zurück zu den 60% Analphabeten. Denn interessant ist, dass noch etwa 70% aller Kinder eine Grundschule besuchen, mit dem Übergang zu einer Secondary School, einer weiterführenden Schule, sind es aber nur noch ein Viertel aller Kinder. Das liegt daran, dass bei einer weiterführenden Schulen die Kosten für ein Kind weiterhin steigen und sich die Familie meist für ein Kind entscheiden muss, dass Bildung weiterhin finanziert bekommt, gegebenenfalls auch noch studiert und später die komplette Familie mit seinem Job versorgt. Manchmal spart eine Familie hier ein oder zwei Jahre um ein weiteres Schuljahr zu finanzieren, so kann es dann auch mal vorkommen, dass in einer 8. Klasse ein 21-jähriger sitzt, denn das Kind wird erst in die nächste Stufe geschickt, sobald das Geld für ein Schuljahr da ist.
Wisst ihr was das traurige ist? Wenn eine Familie nun ihren Sohn durchs komplette Bildungssystem gebracht hat, sogar mit Universitätsabschluss (dazu sollte man noch sagen, dass ein Jahr an einer Uni hier schon gerne mal 500 Euro kosten kann, siehe meinen anderen Blogbeitrag), zählt das in Europa gar nichts. Beziehungsweise man wird wie ein Hauptschulabschlussler behandelt. Das lässt zum einen daraufschließen, wie schlecht das Bildungssystem hier eigentlich ist. Durch das ständige auswendig lernen, was sich durch alle möglichen Bereiche zieht in denen man lernt, und einige anderen Sachen, werden sie leider dazu erzogen nicht selbstständig zu denken. Man könnte vielleicht sagen, dass Schulsystem versaut viel Potenzial, was eigentlich vorhanden ist. Zum anderen heißt das, dass selbst ein studierter Doktor hier, in Deutschland wohl als Schwarzarbeiter mit keinem sicheren Job endet. Dabei könnten Ausbildungen nach deutschem Standard wohl einiges verändern im Land. Würde man den Menschen mehr ermöglichen nach unseren Maßstäben zu lernen, würden sich wohl ein paar Sachen von alleine verbessern. Einfach durch bessere Bildung.
Aber wo fängt man da an? Wo fängt man in einem Land an, in dem das ganze Problem schon damit anfängt, dass es keine freie Bildung gibt? In einem Land, in dem es schwer ist an Bildung zu kommen außerhalb der Schule? Denn selbst das einfachste Mittel mit dem sich die Menschen hier selbst weiterbilden könnten, wenn sie lesen gelernt haben, fehlt. Bücher. In Sierra Leone gibt es keine Buchläden. In größeren Städten wie Bo, findest du wohl mit ein wenig Glück eine kleine, wenig gefüllte Bibliothek, die nicht viel Auswahl hat oder sogar einen Holzstand mit Second-Hand-Büchern, die bei uns in den 90er Jahren aussortiert wurden, weil sie veraltet sind (meist veraltet bezogen auf den Wissenstand des Buches. Es gab also neuere Erkenntnisse, die einige der Informationen in den Büchern wiederlegt haben). Und sollte man wirklich Glück haben ein gutes Buch oder eine guten Wissensquelle zu finden, wird das nicht verbreitet und das Wissen geteilt, sondern für sich behalten. Denn in den Schulen oder Unis will jeder der Beste sein. Und traurigerweise auch muss. Denn der beste hat später auch bessere Chancen und je mehr Beste es gibt, desto geringer wird deine Chance einen (guten) Job zu bekommen.


In einem Land mit einem solchen Defizit im Schulsystem ist es auch nicht einfach in diesem Schulsystem zu arbeiten. So kommt es hier oft vor, dass jemand seinen Uniabschluss als Lehrer seit einem Jahr hat, aber immer noch nicht bezahlt wird. Manchmal wird auch die komplette Lehrerschaft einer Uni nicht bezahlt. Als ich letztes Jahr hier ankam, habe ich von manchen Seiten leises gemurre gehört, wenn wir durch die Stadt gingen: "Na sieh mal einer an: Für neue Polizeiautos hat der Staat Geld, aber nicht um die Lehrer an der Uni hier ihr Gehalt zu bezahlen". Da gibt es nun also auch ein großes Problem bei den Lehrern. Zum Teil werden viele gar nicht eingestellt, sobald sie ihren Abschluss haben und die, die einen Job haben, werden oft unterbezahlt. Sollen sie sich beschweren? Nun ja, tun sie das, würde sich wohl ein anderer Lehrer darüber freuen, der bisher noch keine Anstellung hatte. Bleiben wir doch gleich bei den unschönen Sachen beim Thema Lehrer, so ist einigen von euch vielleicht bekannt, dass die Kinder im sierra-leonischen Schulsystem immer noch geschlagen werden dürfen. Spätestens wenn Unruhe im Klassenzimmer aufkommt wird der Rohrstock rausgeholt, als Warnung. Natürlich gibt es da auch Ausnahmen, wo ein Lehrer andere Methoden gefunden hat oder sogar in einer ganzen Schule kein Schlagen erlaubt ist, doch leider ist das eher Seltenheit als Mehrheit. Oft wissen die Lehrer einfach keine andere Art Kinder zu erziehen. Was leider auch umgeht sind Geschichten über Lehrer. Geschichten über Lehrer, die eigene Steuern von ihren Schülern fordern, um sich selbst was dazu zu verdienen. Geschichten über Lehrer, die Süßigkeiten an Kinder verkaufen um sich was dazu zu verdienen. Geschichten über Lehrer, die Textbücher von Schülern nehmen und diese auf dem Markt verkaufen. Und eine besondere Geschichte über Lehrer, die man leider sehr oft hört. Eine Geschichte über Lehrer die dir gute Noten geben, wenn du mit ihnen schläfst. Natürlich wird kein Kondom verwendet und du bist selbst schuld wenn du dann schwanger wirst.
Bevor ich nun einen Punkt setze möchte ich noch ein Thema anreißen, dass weniger mit Bildung zu tun hat, aber dennoch irgendwie damit in Verbindung steht. Als Arbeitgeber ist man hier verpflichtet seine Mitarbeiter bei einer Rentenversicherung anzumelden und jeden Monat wird da eingezahlt. Das ist doch eigentlich eine gute Sache? So haben die Mitarbeiter später was zum Überleben, wenn sie älter sind. Nun kommt aber der Hacken: Du kriegst erst Geld ausgezahlt, wenn du mindestens 15 Jahren eingezahlt hast. Und nun kommt meine Schlussfrage, nachdem ihr das alles gelesen habt: Wer hat hier 15 Jahre einen Job? Geschweige denn einen Job beim gleichen Arbeitgeber?

Kommentare

  1. Bildung Wohltätigkeitsorganisationen is het beste voor alle goede kinderen, omdat dit goede doel zal helpen voor beter onderwijs

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